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Begriffsbestimmungen

Mit „Demenz“ wird ein Syndrom geistiger und körperlicher Störungen bezeichnet, deren Auslöser eine Erkrankung des Gehirns ist. Die Art der Störungen wirkt auf alle Lebensbereiche der Betroffenen und ihr soziales Gefüge. Demenz tritt fast ausschließlich im hohen Lebensalter auf. Sie ist die am häufigsten auftretende gerontopsychiatrische Störung. Die Entwicklung der Alterspyramide unserer Gesellschaft zieht zwangsläufig eine Zunahme der Krankheitsfälle nach sich. Manche Statistiker befürchten eine neue Volkskrankheit. Zu diesem Thema wird auf allen Fachgebieten vielschichtig geforscht, dennoch gibt es bisher keine Aussicht auf Heilung. Beruhigende und angstmindernde Medikamente und eine fachkundige zugewandte Pflege helfen, das Leiden der Kranken zu lindern.

Der Begriff Demenz ist in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM Version 2024, Kapitel V) wie folgt definiert:

Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.

Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieb der deutsche Psychiater und Neuropathologe Alois Alzheimer die Krankheit der Patientin Auguste Deter und untersuchte nach ihrem Tod die Veränderungen in ihrem Gehirn. Die Krankheit ist trotz großer Anstrengungen der Wissenschaft noch nicht vollständig erforscht. Die Ursachen der Krankheit sind noch unbekannt. Im Gehirn von Alzheimer-Kranken können zwei deutliche krankheitsbedingte Eiweißansammlungen: amyloide Plaques und Fibrillen nachgewiesen werden. Über den Stand der medizinischen und klinischen Erkenntnisse lassen sich in der auch im Internet veröffentlichten Literatur zahlreiche Quellen finden. Wir beschränken uns auf die Präsentation eines sehr anschaulichen Videos der Alzheimer Forschung Initiative e. V.. Die Initiative betreibt einen eigenen YouTube-Kanal mit vielen weiteren informativen Videos.

Weitere Demenzformen, die auch als Mischformen auftreten können, sind auf hirnorganische Erkrankungen zurückzuführen – hier spricht man von primärer Demenz – oder treten als Folge anderer Erkrankungen auf, als sekundäre Demenz. Wir nennen hier nur ein paar geläufige Begriffe, ohne sie näher zu erläutern, da es dazu hinreichend Literatur gibt: Vaskuläre Demenz (Durchblutung, Infarkte), Frontotemporale Demenz oder Pick-Krankheit (Gendefekt), Lewy-Körperchen Demenz (Dopaminverringerung), Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (Infekt, sehr selten), Chorea Huntington (Erbkrankheit), Korsakow-Syndrom (Alkoholabusus, Infektionen) Ausführliche Publikationen bietet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. an.

Wichtiger für unsere Arbeit ist die Betrachtung der Krankheitssymptome und die Art, damit umzugehen, um insbesondere pflegenden Angehörigen Hilfestellung zu geben.

Symptome

So vielfältig die Formen der Demenz sind, so unterschiedlich sind auch die Symptome der Krankheit und von ihr verursachten Defizite der Betroffenen. Zudem ist jeder Mensch ein Individuum, dessen Eigenschaften und Verhaltensweisen nicht schematisiert werden können. Erscheinungsformen und Auswirkungen lassen sich nicht eindeutig beschreiben. Im Zweifel sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden.

Vergesslichkeit

Die mit der Demenz einhergehenden hirnorganischen Veränderungen bewirken Minderungen mentaler Fähigkeiten. Das häufigste und meist zuerst auftretende Defizit macht sich als Störung vor allem des Kurzzeitgedächtnisses bemerkbar. Die Erinnerung an Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit geht verloren, während die Erinnerung an lange Zurückliegendes erhalten bleibt. In späteren Stadien der Krankheit geht die Gedächtnisleistung immer weiter zurück. Bekannte Personen werden verwechselt bis auch Freunde, Bekannte und Familienangehörige nicht mehr erkannt werden.

Die zu Beginn der Demenz eintretenden Erinnerungsdefizite müssen gegen normale Störungen abgegrenzt werden. Jeder hat schon mal vergessen, wo der Schlüssel ist. Die Suche nach der Brille und das „Bügeleisensyndrom“ – die quälende Frage vornehmlich nach Antritt einer Urlaubsreise: „Habe ich das Bügeleisen / den Herd ausgeschaltet?“ – sind nicht zwingend erste Anzeichen einer Demenz. Warnzeichen kann aber die Häufung oder Regelmäßigkeit von Gedächtnisstörungen sein.

Abnahme der Lernfähigkeit

Die Lernfähigkeit geht verloren, weil sie auf der Aufnahme, Speicherung und Verknüpfung von Informationen beruht. Das Gedächtnis spielt in dem Zusammenhang eine Hauptrolle. Seine Fehlfunktion verhindert die Speicherung neuer Kenntnisse und ihre Verbindung mit schon vorhandenen. Als Folge fällt es Dementen schwer, sich auf veränderte Gegebenheiten und neue Situationen einzustellen.

Orientierungsverlust

Mit der Verschlechterung der Erinnerung gehen Orientierungsmängel einher. Vor allem das Zurechtfinden in fremder Umgebung fällt schwer. Die Kranken verlaufen sich und finden nicht mehr an den Ausgangspunkt zurück. Bei fortschreitender Demenz wird auch die heimische und sogar die häusliche Umgebung fremd, wenn Veränderungen darin vorgenommen werden. Das führt dazu, dass Demente sich im Wohnviertel nicht mehr zurechtfinden und die Wohnung nicht wiederfinden. Mit diesem Thema hat sich unter anderen auch ein 15-jähriger beschäftigt und einen „innovativen Sensor“ erfunden. Neben räumlichen sind auch zeitliche Orientierungsprobleme zu beobachten. Dabei gehen der Bezug zum Wochentag oder zur Tages- oder Jahreszeit verloren. Die zeitliche Einordnung vergangener Ereignisse fällt schwer.

Sprachdefizite

Wortfindungsstörungen in einfacher Form hat jeder Mensch. Ihnen fällt ein Name, ein Fremdwort oder ein Begriff nicht ein. Sie umschreiben das momentan fehlende Wort mit anderen Wörtern gleicher Bedeutung. Demenzkranke ersetzen jedoch fehlende Wörter durch solche mit anderer Bedeutung. Diese Artikulationsprobleme erschweren die Kommunikation und können sie sogar unmöglich machen. Die Defizite können bei fortschreitender Demenz über die Unfähigkeit, Sätze zu bilden, bis zur Sprachlosigkeit führen.

Minderung des Entscheidungsvermögens

Die Abnahme der Fähigkeit, Situationen richtig zu beurteilen und daraus passende Schlüsse zu ziehen, schränkt das Entscheidungsvermögen ein. Das ist unter anderem daran zu erkennen, dass Demenzkranke ihre Kleidung nicht den Witterungsbedingungen oder anderen Gegebenheiten anpassen, ohne Schuhe nach draußen gehen oder mehrere gleichartige Kleidungsstücke übereinander anziehen. Bei Verrichtungen des Alltags benutzen sie falsche Werkzeuge oder legen Gegenstände an „ungewöhnlichen” Orten ab und finden sie nicht wieder. Nicht selten liegt die Brille in der Butterdose, gebrauchtes Geschirr im Kleiderschrank und getragene Wäsche im Kühlschrank. Das geminderte Urteilsvermögen beeinträchtigt sinnvolle Entscheidungen für wichtige Dinge des Alltags. Vertragsabschlüsse und finanzielle Verfügungen, sowie Vorhaben zur medizinischen Versorgung können zu Problemen führen. Auch der körperliche Pflegezustand kann durch Vernachlässigung der Hygiene darunter leiden.

nachlassende Handlungsfertigkeiten

Die Fähigkeiten zu alltäglichen Verrichtungen nehmen ab. Demente bekommen zum Beispiel Probleme beim Ankleiden und Kochen, weil die Kenntnis über die Reihenfolge der Handlungsabläufe nicht mehr parat ist. Auch die Bedienung gebräuchlicher technischer Geräte wie Fernbedienungen, Herd, Telefon, Auto fallen schwer und werden im fortgeschrittenen Krankheitsstadium unmöglich.

Einschränkung des Abstraktionsvermögens

Der Umgang mit Zahlen und Geld erfordert ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen. Die Krankheit und ihre Folgen schränken diese Fähigkeiten ein. Demenzkranke können schlechter rechnen. Sie neigen dazu, Geld für falsche Dinge oder in unangemessener Höhe auszugeben, weil sie den Wert des Geldes nicht einschätzen können. Die Handhabungen bei gewöhnlichen Bankgeschäften wie Überweisungen und Kontoführung werden fremd. Rechnungen werden nicht beglichen. Allgemein gehen Lösungsfindungen bei Problemstellungen verloren.

Bewegungseinschränkungen

Im Verlauf der Krankheit wird die Muskulatur abgebaut. Verschlimmerung von Sprachstörungen und Mängel der Bewegungsfähigkeit sind die Folge. Zusätzlich können Haltungsschäden eintreten. Die Schäden am gesamten Muskelapparat führen zu Inkontinenz.  Die Mobilität nimmt ab. Oft wird ein Rollstuhl benötigt oder die Patienten werden bettlägerig.

Persönlichkeitsveränderungen

Häufig werden bei Demenzpatienten Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur beobachtet. Veränderte Wahrnehmungen rufen Ängste und Agressionen hervor. Auch Distanzverlust und euphorische Leutseligkeit kann durch die Krankheit verursacht werden. Ebenso sind völlig unangemessene Reaktionen in verschiedenen Situationen möglich. Die jeweilige Stimmungslage ist nicht mehr einschätzbar und kann ohne erkennbaren Anlass plötzlich umschlagen. Vor allem nahe Angehörige müssen oft ungerechtfertigte Anschuldigungen und Beschimpfungen ertragen. Vormals vornehme zurückhaltende Menschen reißen in Folge der Krankheit Zoten, fluchen oder deklamieren üble Parolen, vermutlich verursacht durch den krankheitsbedingten Kontrollverlust. Wahrnehmungsstörungen können sich in einem egozentrischen Persönlichkeitsbild manifestieren.

 Resümee

Diese Aufzählung von Symptomen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es treten auch nicht alle Symptome bei jeder Demenzerkrankung auf. Ebenso unterscheiden sich der Grad und die Ausprägung der Symptome völlig individuell. Die einzig erkennbare Regelmäßigkeit ist ihre Verschlimmerung im Verlauf der Demenz.

Die Darstellung soll zum Verständnis des sozialen Umfelds für die Leiden der Dementen beitragen und helfen, ihnen adäquat zu begegnen.

Es ist zu begrüßen, dass in die Planung von Krankenhäusern inzwischen die Einrichtung eigener Demenzstationen zur besseren Betreuung und Versorgung dieser Patientengruppe einbezogen werden.

Aus Forschung und Wissenschaft

Pressemitteilung vom 11.03.2015

Dr. Ralf BraunMitochondrien

Den Ursachen der Alzheimer-Erkrankung auf der Spur: Neue Einsichten in zellbiologische Prozesse

Christian Wißler Mediendienst Forschung
Universität Bayreuth
Die zellbiologischen Prozesse, die neurodegenerative Erkrankungen verursachen oder verstärken, sind bis heute nur unzureichend erforscht. Ein internationales Team um Dr. Ralf Braun von der Universität Bayreuth und Prof. Dr. Frank Madeo von der Universität Graz hat jetzt molekulare Zusammenhänge entdeckt, die dazu beitragen können, insbesondere die Entstehung und den Verlauf der Alzheimer-Krankheit besser zu verstehen.
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Cell Reports“ stellen die Wissenschaftler aus Bayreuth und Graz zusammen mit Partnern aus Maastricht, Freiburg und Paris ihre Forschungsergebnisse vor. Die neuen Erkenntnisse, die sie in enger Kooperation gewonnen haben, werden möglicherweise dabei helfen können, medizinische Wirkstoffe gegen die Alzheimer-Krankheit zu entwickeln.

Gestörter Proteinabbau fördert die Vergiftung von Nervenzellen

Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass sich in den Nervenzellen von Alzheimer-Patienten größere Mengen mutierter Ubiquitin-Moleküle ansammeln. Diese hohe Konzentration stört den Abbau von Zellproteinen und schädigt die Mitochondrien, die als ‚Kraftwerke der Zelle‘ lebenswichtige Stoffwechsel-Funktionen erfüllen. Infolgedessen schreitet die Degeneration der Nervenzellen weiter voran.

Die Autoren der neuen Studie haben nun genauer analysieren können, auf welche Weise mutiertes Ubiquitin den Fortschritt der Krankheit befördern könnte. Der gestörte Proteinabbau hat nämlich zur Folge, dass in und an den Mitochondrien der Zellen vermehrt basische Aminosäuren – nämlich Arginin, Lysin und Ornithin – gebildet werden. Der Anstieg dieser Aminosäuren erzeugt in den Zellen oxidativen Stress. Dies führt zu einer Schädigung der Mitochondrien. Infolgedessen setzen die Mitochondrien das Protein Cytochrom c sowie weitere Faktoren frei, die den Tod der Zelle auslösen können.

Ein Protein schützt die Mitochondrien, die ‚Kraftwerke der Zellen‘

Die Forschungsgruppe hat aber zugleich einen Mechanismus entdeckt, der die Zellen vor den Folgen des mutierten Ubiquitins schützt. Zwar wird die Störung des Proteinabbaus durch diesen Mechanismus nicht beseitigt. Aber ein spezielles Protein namens „Vms1“ ist in der Lage, den Anstieg basischer Aminosäuren an den Mitochondrien zu unterdrücken. Auf diese Weise sorgt es dafür, dass sich die Ansammlung mutierten Ubiquitins nicht zerstörerisch auf die Zellen auswirkt.

„Interessanterweise ist Vms1 ein Bestandteil des Prozesses, der in der Zelle für einen zügigen Proteinabbau sorgt und daran von mutiertem Ubiquitin gehindert wird“, erklärt Dr. Ralf Braun. „Durch Aktivierung von Vms1 wird ein spezieller Proteinabbauweg verstärkt, der die Zellen schützt, aber keinen Einfluss auf die Menge an mutiertem Ubiquitin hat. Um die zellbiologischen Prozesse, die an der Alzheimer-Erkrankung ursächlich beteiligt sind, weiter aufklären zu können, müssen wir jetzt herausfinden, wie genau es dem Protein Vms1 gelingt, die Zellen vor erhöhten Mengen an basischen Aminosäuren zu schützen.“ Der Bayreuther Zellforscher ist Habilitand am Institut für Zellbiologie der Universität Bayreuth. Er hat für die jetzt in „Cell Reports“ vorgestellten Untersuchungen eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten.

Die Wissenschaftler haben ihre neuen Erkenntnisse überwiegend mithilfe von Bäckerhefe gewonnen, die häufig als Modellorganismus für zellbiologische Forschungen zum Einsatz kommt. „Wir sind derzeit zuversichtlich, dass sich unsere Ergebnisse in weiteren Modellsystemen für die Alzheimer-Krankheit bestätigen werden“, meint Dr. Braun. „In diesem Fall wird es eines Tages vielleicht möglich sein, die schützende Funktion von Vms1 für die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe zu nutzen – mit dem Ziel, den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung zu verlangsamen.“

Veröffentlichung:

Braun et al., Accumulation of Basic Amino Acids at Mitochondria Dictates the Cytotoxicity of Aberrant Ubiquitin, in: Cell Reports (2015), Vol. 10(9), pp. 1557-1571,
DOI 10.1016/j.celrep.2015.02.009

Kontakt:

Dr. Ralf Braun
Institut für Zellbiologie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 55-4311
E-Mail: ralf.braun@uni-bayreuth.de

Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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